10. April 2005 | Welt am Sonntag

Verheiratet und nicht verstoßen

Die Briten schließen Frieden mit der zweiten Hochzeit ihres Thronfolgers. Charles und Camilla bedanken sich mit einem Mea Culpa.

Wer hätte es erwartet? Die Sonne scheint in Windsor. Wer hätte es gedacht? Die zwei, drei Buh-Rufe, die Prinz Charles und Camilla Parker Bowles zu ertragen haben, als sie vor der rostroten Tür des Standesamts von Windsor eintreffen, gehen in den Tönen einer Jazz-Kapelle unter. Es wird sogar gejubelt. Verhalten natürlich.

Heiratet hier nicht ein mäßig unpopulärer Herr seine weitaus unpopulärere Dame? War nicht das halbe Volk samt seiner Königin zutiefst empört über diese Verbindung? Aber die von allen prophezeite "Traumahochzeit" des Jahres, das große Pleiten-, Pech- und Pannenereignis findet nicht statt.

Am gestrigen Samstag wurde die feixende Vor- und Schadenfreude mancher Briten enttäuscht. Denn die Eheschließung zwischen Charles und Camilla war ein königlicher Erfolg - freundlich, würdig und unaufgeregt. Der einzige Zwischenfall ereignet sich, als ein Mann versucht, unbekleidet über die Hauptstraße von Windsor zu rennen. Aber das gehört irgendwie zum guten Ton bei einem solchen Ereignis, zumindest in England.

Nein, sie sind wirklich alle ganz prächtig gestimmt. Die Menge an der High Street von Windsor mit ihren Fähnchen und Masken und merkwürdigen Plakaten; die Braut höchstselbst, die an diesem Tag zur Herzogin von Cornwall geworden ist und beim Ausgang aus der Guildhall ganz zufrieden, höchstens ein bißchen nervös in die Menge strahlt. Nur Charles könnte etwas freundlicher gucken. Schade auch, daß das Paar nach der Trauung so schnell im Auto verschwindet. Aber sonst ist alles "wirklich fantastisch", wie Penny Junor sagt, die Windsor-Biographin. Insbesondere William und Harry geben sich Mühe: Lässig sehen sie aus, gut gelaunt und festlich.

Und so sind dann selbst diejenigen gnädig, die in all diesen Wochen ganz öffentlich von drohender Düsternis gesprochen hatten. "Ich glaube, daß dieser Tag den vielen bissigen Bemerkungen ein Ende bereiten wird," sagt Piers Morgan in der BBC-Sondersendung - ein Mann, der als früherer Chefredakteur der Boulevardzeitung "Mirror" nicht eben zu den Freunden der Königlichen Familie zählt. Arthur Edwards, als "Sun"-Fotograf verhaßt und zeitweise aus dem Hofleben verbannt, sieht mit der Hochzeit gar einen Prozeß der Heilung beginnen.

Und damit stehen die Experten nicht allein. Auch Mary Riddell, eine bekannte, sich selbst ins republikanische Lager sortierende britische Kolumnistin, hält es für gut möglich, daß es die Queen selber war, die die Hochzeit eingefordert hat - auch wenn sie Camilla eigentlich noch nie goutiert habe. Aber es wäre allzu kompliziert geworden, so Riddell, wenn "Charles plötzlich auf den Thron gefolgt wäre und seine Camilla in der dritten Reihe hätte verstecken müssen". Man könne auch Anfang des 21. Jahrhunderts in der britischen Gesellschaft einfach keinen König dulden, der in wilder Ehe mit einer Geschiedenen lebe.

Gleich zu Anfang des Fürbittengottesdienstes leisten Charles und Camilla ihren eigenen Beitrag zu jenem Prozeß der Heilung, den sogar die "Sun" prophezeit. Der Prinz hat eine strenge Bitte um Vergebung aus einem Gebetbuch von 1622 ausgesucht. "Wir bedauern unsere mannigfaltigen Sünden und unsere Schlechtigkeit, die wir gegen Ihre göttliche Majestät begangen haben und die meist zu Recht Zorn und Empörung gegen uns ausgelöst haben", heißt es da.

Es sind nur Worte, die schnell in der Kapelle verhallen. Aber da werden doch Erinnerungen geweckt. Und so gibt es feuchte Augen bei den rund 800 Gästen der Zeremonie. Wohl mancher denkt in diesem Augenblick daran, daß der Prinz, im Stresemann, und die neue Herzogin, in einem eindrucksvollen grauen Seidenkleid, ihr Eheversprechen beide schon einmal abgelegt haben. Und beide vergebens. Vergibt man ihnen?

Die Pessimisten schweigen an diesem Tag. Aber es gibt sie weiterhin. Einige Hofbeobachter im Vereinigten Königreich sehen durch den Aufruhr um die Hochzeit den Fortbestand des Königtums gefährdet. "Die Monarchie lebt davon", sagt etwa Christopher Morgan von der "Sunday Times", "daß sich das Land hinter der Krone vereint. Diese Hochzeit aber spaltet die Bevölkerung". Das sei gefährlich für die Monarchie, weil sie ihrer Aufgabe nicht mehr gerecht werden könne.

Wie gespalten die Nation tatsächlich ist, das wissen nicht einmal die Meinungsforscher. Bis gestern stritten sie noch, wie die Bevölkerung denn nun die Hochzeit bewerte: 60 zu 40 positiv, oder 60 zu 40 negativ? Allerdings spricht der Trend in jedem Fall dafür, daß Charles und Camilla zunehmend Gnade finden. Zudem ist die öffentliche Meinung ein leicht beeinflußbares Wesen. Wer wüßte das besser als die Monarchie? Nach dem Ende des Gottesdiensts versuchten das Hochzeitspaar und die königliche Familie noch schnell ein Gruppenfoto. Man konnte, ganz kurz, die Queen lächeln sehen; und Prinz Philip tauschte ein paar Worte mit Camilla. Das wird sich schon noch eingraben ins kollektive Gedächtnis: Camilla gehört jetzt dazu.

Die Windsor-Biografie von Tom Levine erschien im Herbst 2005 im Campus-Verlag.